Gravis-Geschäftsführer Jan Sperlich im Interview

"Amazon ist eine Herausforderung"



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Das Kundenverhalten werde immer situationsgeprägter, meint Gravis-Geschäftsführer Jan Sperlich. Deshalb sei es wichtig, als Händler flexibel zu bleiben. Dazu gehört für Gravis auch, Kunden über Amazon Marketplace zu adressieren.
Gravis-Geschäftsführer Jan Sperlich spricht im ChannelPartner-Interview über die Entwicklung des Apple-Händlers seit der Übernahme durch Freenet, Verkaufsstrategien im Omnichannel-Zeitalter und die Erfolge von Gravis im B2B-Geschäft
Gravis-Geschäftsführer Jan Sperlich spricht im ChannelPartner-Interview über die Entwicklung des Apple-Händlers seit der Übernahme durch Freenet, Verkaufsstrategien im Omnichannel-Zeitalter und die Erfolge von Gravis im B2B-Geschäft
Foto: Gravis

channelpartner.de: Herr Sperlich, die letzten Umsatzzahlen hat Gravis 2013 publiziert. Damals ging es nach der Übernahme durch Freenet erstmal leicht rückwärts. Wo steht Gravis heute?

Jan Sperlich: Wir sind heute profitabel. Unsere Mitarbeiter ernten jetzt, was sie in den letzten Jahren an Arbeit in das Unternehmen gesteckt haben. Denn wer heute ein relevanter Partner für die Kunden sein will, der muss Omnichannel sein. Und das erfordert wiederum eine entsprechende IT-Struktur. Dahin führen aber keine großen IT-Ausschreibungen mehr wie früher. Sondern kleine Schritte und eine agile, anpassungsfähige Organisation. Das umzusetzen ist viel Arbeit und ich bin stolz, dass wir das geschafft haben.

channelpartner.de: Vor vier Jahren hat Gravis seinerseits den Apple-Händler re:Store mit 12 Filialen übernommen. Wie zufrieden sind Sie heute mit der Aufstellung Ihres Filialnetzes?

Jan Sperlich: Wir haben heute 41 Filialen und fühlen uns damit sehr gut aufgestellt. Aber natürlich schauen wir kontinuierlich, dass die bestehenden Standorte auch gut funktionieren. In den letzten beiden Jahren haben wir deshalb zwei Filialen aussortiert.

channelpartner.de: Hätte nicht die Insolvenz von mStore Ende 2014 die Möglichkeit eröffnet, weitere Standorte zu besetzen?

Jan Sperlich:Nein, die mStore-Filialen waren alle in Regionen angesiedelt, in denen wir bereits mit unseren Geschäften vertreten sind. Es gab keine Lücken, die wir durch die Übernahme einzelner Standorte hätten schließen können.

Mit Shop-Features wie dem Solution Tisch ist Gravis bei der Handelsdigitalisierung vorne dabei
Mit Shop-Features wie dem Solution Tisch ist Gravis bei der Handelsdigitalisierung vorne dabei
Foto: Gravis

"Wir haben die richtige Größe, uns fortlaufend zu verändern"

channelpartner.de: Sie haben in den letzten viel am Verkaufskonzept und der Omnichannel-Fähigkeit der Gravis Stores gearbeitet. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Jan Sperlich:Ja, die große Welle der Filialumbauten bei Gravis ist nun fast durch. In den meisten Stores haben wir die Schaufenster freigemacht und so eine neue Kundennähe hergestellt. Zudem arbeiten wir weiter an digitalen Beratungslösungen wie unserem Solution Tisch. Apple hat seinen Home Pod jetzt auch in Deutschland eingeführt und auch da geht es darum, wie man das am besten präsentiert. Das bleibt immer ein Work in Progress. Aber alles in allem sind wir sehr zufrieden: Wir haben als Unternehmen die richtige Größe, um fortlaufend Veränderungen durchführen zu können. Und auch mit unserer Mischung aus größeren und kleineren Flächen sind wir gut aufgestellt.

channelpartner.de: Neben dem eigenen Omnichannel-Geschäft ist Gravis auch als Händler auf den Markplätzen eBay und Amazon vertreten. Welche Erfahrungen machen Sie mit dem Marktplatzgeschäft?

Jan Sperlich: Mit eBay haben wir eine sehr gute Partnerschaft. Das Angebot dort funktioniert sehr gut und für eBay sind wir ein zuverlässiger Lieferant, um den Kunden dort auch Apple-Produkte anbieten zu können. Amazon ist eine größere Herausforderung. Für mich ist Amazon so etwas wie ein "Moving Target", man muss immer aufmerksam bleiben, dass man die richtigen Produkte zum richtigen Preis anbietet und noch immer genug Marge erzielt. Mir persönlich macht die Zusammenarbeit mit Amazon aber sehr viel Spaß.

channelpartner.de: Ähnlich wie Amazon zeichnet sich auch Gravis durch ein hohes Maß an Kundenzentriertheit aus. Doch die Kundenbedürfnisse befinden sich durch die Online-Entwicklung gerade in einem rapiden Wandel. Wie geht Gravis als Händler mit stationären Wurzeln damit um?

Jan Sperlich: Das Kundenverhalten ist heute sehr oft situationsgeprägt: Wer es eilig hat, für den ist die Online-Anzeige stationärer Verfügbarkeiten oder auch Same Day Delivery sehr wichtig. Hat man dagegen Zeit, bestellt man die Produkte bequem im Onlineshop und lässt sich diese nach Hause schicken. Und ist wichtig, dass wir all diese Szenarien abdecken, damit wir für unsere Kunden in allen Situationen da sind. Daneben machen Themen wie die Vorauswahl der Produkte, kompetente Beratung und Bedarfsanalyse sowie Service, Support und Finanzierung weiterhin den Kern unserer DNA als Händler aus. Wir wissen, dass drei Viertel unserer Kunden großen Wert auf Beratung legen. Und die Kunden kommen immer besser vorinformiert in die Läden - da stehen wir in der Pflicht, ein entsprechend hochwertiges persönliches Einkaufserlebnis zu bieten.

Gravis hat sein Shop-Layout in den letzten Jahren überarbeitet. Hier der Store in Düsseldorf.
Gravis hat sein Shop-Layout in den letzten Jahren überarbeitet. Hier der Store in Düsseldorf.
Foto: Gravis

"Gravis profitiert von der Konsumerisierung im Business-Bereich"

channelpartner.de: Alle führen heute das Thema Service im Mund - vom Fachhandel bis hin zu Flächenmärkten wie Media Markt und Saturn. Aber wie lässt sich Service wirklich leben?

Jan Sperlich: Wir verfolgen einen Qualitätsapproach, der sich bei uns durch das gesamte Geschäft führt: Wir investieren stark in die Weiterbildung unserer Shopmanager, damit diese wiederum ihre Mitarbeiter coachen können. Wir überprüfen das Service Level in unseren Geschäften durch monatliches Mystery Shopping. Und wir haben unseren Reparaturservice stark ausgebaut - das ist für die Kunden ein ganz großes Thema. Wir sind bei Apple-Reparaturen inzwischen mit dem Terminkalender des offiziellen Reparaturservices von Apple verbunden und erzielen so auch einen Zugewinn an Frequenz in unseren Stores. Wir bieten eine taggleiche, von Apple zertifizierte iOS-Reparatur. Das schafft Vertrauen bei den Kunden. Und auch im B2B-Geschäft nimmt das Thema Repair eine immer größere Rolle ein.

channelpartner.de: Wie muss man sich das B2B-Geschäft von Gravis vorstellen?

Jan Sperlich: Wir haben unser Repair-Center in Berlin aufgestellt und bilden dort nun auch selbst neue Mitarbeiter aus - weil wir feststellen, dass das Thema Apple-Reparaturen massiv an Dynamik gewinnt. Mit der steigenden Durchdringung von iOS im Business-Bereich hat der B2B-Bereich für uns generell an Bedeutung gewonnen. Zu uns kommen inzwischen auch Systemhäuser, die ihren Mittelstandskunden E-Commerce-Bestellmöglichkeiten bieten wollen. Für diese richten wir dann Mandantenshops ein. Das darunterliegende Thema ist die Konsumerisierung im Business-Bereich. Die Nachfrage nach Apple-Produkten wächst hier ständig - sowohl von Systemhaus-Seite wie auch von Geschäftskunden, die zu klein sind, um selbst ein Systemhaus zu beschäftigen. Wir sind gut aufgestellt, um diese wachsende B2B-Nachfrage zu bedienen. Auch hier kommt uns wieder unsere Flexibilität und unsere agile Organisation zu gute.

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